Bahnhof Kirchberg – Modernste Mobilitätsdrehscheibe Tirols läuft unrund!
„Für die Kundinnen und Kunden bricht im Dezember 2021 ein neues Öffi-Zeitalter im Brixental an“, so wurde der Neubau des Bahnhofes Kirchberg als „gemeinsames Kind“ von den Projektpartner ÖBB, Land Tirol und Gemeinde Kirchberg in Tirol medienwirksam vorgestellt.

Keine Frage, der alte Bahnhof war in die Jahre gekommen und vor allem in Sachen Barrierefreiheit und behindertengerechter Nutzung bestanden arge Defizite. „Das Beste ist für uns gerade gut genug“, erzählte damals der Bürgermeister der Gemeinde Kirchberg von jahrelangen Bemühungen um die Modernisierung des Bahnhofes und die Bauarbeiten für den Neubau starteten vorzeitig und begannen anstatt 2025 bereits 2020. An sich notwendig und auch wichtig, sollte laut der damaligen Landesrätin eine der modernsten Mobilitätsdrehscheiben Tirols und nach Meinung des Kirchberger Dorfchefs „ein wahres Schmuckstück“ entstehen, von der bzw. von dem alle Einheimischen und Gäste aus Kirchberg und der Umgebung regen Gebrauch machen sollen. Mit der veranschlagten Investitionssumme von 9 Mio. Euro sollte ein neues, barrierefreies Gebäude mit moderner Ausstattung und komfortablen Wartebereich samt Personenunterführung und Lift geschaffen werden, dazu eine WC Anlage und eine neue Bahnsteigüberdachung.

Darüber hinaus wollte man den Vorplatz mit einer neuen Bushaltestelle und einem Buswendeplatz für eine bessere Verkehrsanbindung attraktiver gestalten und eine neue P+R Anlage mit 44 Stellplätzen schaffen.

Das gesamte Bauvorhaben ist mittlerweile zum größten Teil umgesetzt und es ist bei oberflächlicher Betrachtung wahrlich ein schöner Bahnhof entstanden. Dies allerdings nur auf den ersten Blick, denn alsbald hat sich herausgestellt, dass die Kapazitäten der vorhandenen Parkplatzflächen bei weitem nicht ausreichen und zeitweise bereits ab 06:30 h völlig ausgeschöpft sind. 44 Stelllätze mögen zwar vorhanden sein, allerdings sind ein Großteil davon Fahrrad- und Mopedstellplätze. Von fehlenden E-Ladestationen abgesehen, sind die Abstellflächen für Autos mit dem Umbau des Vorplatzes deutlich weniger geworden, wenngleich die Gemeindeführung das Gegenteil behauptet.

Letztlich stehen lediglich 21 PKW Parkplätze nach Abschluss der Baumaßnahmen zur Verfügung. Angesicht der prekären Situation entwickelt sich dann die Parkplatzsuche zu einem wahren Spießrutenlauf für die Bahnkunden. Obwohl etliche Gemeinderäte und Landespolitiker selbst regelmäßig die Bahn benutzen und dieses Problem erkannt haben müssten, hat man dieses Problem völlig negiert oder auch verdrängt, vielmehr noch, meist hat es diesbezüglich geheißen, „dafür ist die Gemeinde nicht zuständig, das ist Sache der ÖBB“. Mag zwar grundsätzlich stimmen, verwunderlich ist jedoch, dass von der Gemeinde Kirchberg gleichzeitig Organstrafmandate für Falschparker im Bahnhofsbereich ausgestellt werden.

Auf den Hinweistafeln ist ursprünglich sogar gestanden: „Betreuung und Instandhaltung der Park & Ride Anlage durch die Gemeinde Kirchberg in Tirol“, aber dieser Hinweis wurde mittlerweile notdürftig überklebt.

Die Zahl der Zugreisende hat mit Sicherheit zugenommen und wird es auch in Zukunft tun, zudem nutzen viele Reisende und Pendler aus den umliegenden Gemeinden den Bahnhof Kirchberg als Schnellzughaltestelle und zusätzlich können auch sämtliche Gäste der Region mit Gästekarte die Bahn gratis benützen. Somit führen viele Faktoren zu einer verstärkten Nutzung des Bahnhofes und der P+R Anlage und daher ist es nicht verwunderlich, dass die PKW-Parkplätze nicht ausreichen. Ohne Hellseher sein zu müssen, hätte man dieses Problem schon viel früher erkennen und handeln müssen, zumal ein bereits fertiggestellter Parkplatz im Bereich M-Preis vorhanden war, den man nach Abschluss der Bauarbeiten einfach zurückgebaut hat. Hier hätte man sich mehr bemühen können und wenn auch die Gemeinde(führung) dafür nicht unmittelbar zuständig gewesen sein mag, hätte man sich als gerne inszenierter „Projektpartner“ in weiser Voraussicht durchaus vermittelnd einbringen und diesen Parkplatz sichern können. Zwischenzeitlich hat sich die Situation glücklicherweise verändert und Willi Steindl hat ein Teilstück des M-Preisareales erworben. Die Gemeinderäte Franz Heim und Andreas Schwaiger haben das eklatante Parkplatzproblems am Bahnhof aufgegriffen und in Eigeninitiative Gespräche mit Willi Steindl geführt und dabei für erste eine gute Lösung für alle Pendler erzielen können, mit dem Ergebnis, dass ab sofort 15 Parkplätze nördlich des Bahnhofes, zusätzlich zu den bestehenden Plätzen zur Verfügung stehen. Dafür gebührt allen Beteiligten ein besonderer Dank.
Die modernste Mobilitätsdrehscheibe Tirols birgt aber noch weitere Defizite, wie beispielsweise die WC Anlage, die als Einzelanlage errichtet worden ist und daher von allen Geschlechtern, mit und ohne körperlicher Beeinträchtigung, verwendet werden muss. Was haben sich die Verantwortlichen dabei gedacht?

Interessanterweise ist das WC im Bahnhof Kirchberg auch das einzige zwischen Wörgl und St. Johann, für das bezahlt werden muss, um es überhaupt benützen zu können, während alle anderen Anlagen kostenfrei sind.
Der Wartebereich in der Bahnhofshalle ist speziell im Winter bei weitem nicht so komfortabel wie angekündigt. Im alten Gebäude hat eine Glasschiebetür zwischen Halle und Bahnsteigunterführung eine Auskühlung verhindert. Eine solche Tür gibt es nun nicht mehr und die kalte Winterluft gelangt nun ungehindert in die Wartehalle und sorgt bei geöffneten Außentüren für eine äußerst ungemütliche Situation. Aber vielleicht gehört zu einem Bahnhof echte „Zugluft“ dazu?

Ungemütlich kann auch die Situation am Bahnsteig bei Schlechtwetter sein. Durch das wesentlich kürzere Vordach der Bahnsteigüberdachung gelangt einerseits im Winter der Schnee bis zum Treppenaufgang und andererseits werden die Wartenden bei Schlechtwetter ohne Schirm teilweise komplett durchnässt.

Die Neugestaltung des Bahnhofes in Kirchberg war sicherlich wichtig und auch „höchste Eisenbahn“. Sie ist optisch gut verlaufen, dennoch zeigen sich deutliche Mängel im täglichen Ablauf, die gelöst werden sollten und vor denen sich die Gemeinde(führung) als selbstbezeichneter Projektpartner nicht verschließen kann. Die Ankündigung als modernste Mobilitätsdrehscheibe Tirols ist zwar medienwirksam und plakativ dargestellt worden, in Wirklichkeit handelt es sich beim neuen Bahnhof Kirchberg aber um einen ganz normalen Standardbahnhof, von denen es einige in unserem Land gibt, der aber (noch) Defizite aufweist, die hoffentlich unter gemeinsamer Anstrengung aller Projektpartner behoben werden.